Im Mittelalter war es undenkbar, hingerichtete Verbrecher oder verstorbene Ehrlose wie Henker, Abdecker und Bader innerhalb der Stadtmauern zu beerdigen. Für alle diese Verstorbenen hatten mittelalterliche Städte eigene Friedhöfe außerhalb der Stadtmauern. Hier wurden aber auch ehrbare Menschen bestattet, die auf der Durchreise starben, beispielsweise Pilger oder Kaufleute. Diese Menschen wurden als „Elende“ – sprich Ausländer – bezeichnet und so kommt der Kölner Elendsfriedhof zu seinem Namen. Über seine Rolle als Kirchhof für Ehr- und Heimatlose hinaus hatte der Elendsfriedhof noch eine weitere Funktion. Bei der Neubelegung von Gräbern der überfüllten Kölner Friedhöfe wurden die ausgegrabenen Gebeine in Regale auf dem Elendsfriedhof ausgelagert. Lange Zeit fand dann am Sonntag der Oktav von Mariä Himmelfahrt die sogenannte „Knöchelcheskirmes“ statt, bei der das einfache Volk von St. Katharinen auf den Elendsfriedhof zog und einen Tanz aufführte, bei dem mit den Knochen der Takt geschlagen wurde.
Seit 1678 gibt es auf dem Elendsfriedhof mit seiner Kapelle – beziehungsweise der späteren Kirche – ein Ritual: Am Sonntag der Oktav von Mariä Himmelfahrt zieht eine besondere Gottestracht durch die Kölner Gemeinden. Zu diesem Fest gehört traditionell die sogenannte Knöchelcheskirmes. Am Abend dieses Tages geht das einfache Volk von St. Katharinen auf den Elendsfriedhof und führt nach ausgiebigem Zech- und Spielgelage mit den in Regalen an der Friedhofsmauer aufgeschichteten Knochen (Gebeine anderer Friedhöfe Kölns werden bei der Neunutzung von Grabstellen auf den Elendsfriedhof ausgelagert) einen makabren Tanz auf, bei dem mit den Knochen der Takt geschlagen wird. Im kölschen Volksmund gibt es sogar einen Vers, der zum Geläut der Glocken während der Knöchelcheskirmes aufgesagt wird: „Dodeknoche, wat solle mer koche? / Stockfesch, un Ädäppel.“ (Totenknochen, was sollen wir kochen? / Stockfisch, und Kartoffeln). Erst 1826 wird die Knöchelcheskirmes auf eine Beschwerde des Pfarrers von St. Johann Baptist abgeschafft.
Stifter der Elendskirche ist die Familie von Groote. Das Patriziergeschlecht stammt ursprünglich aus Flandern und hatte dort (noch unter dem Namen de Groote) hohe Verwaltungsämter inne. Die Reformation und der spanisch-niederländische Krieg brachten dann große Veränderungen. Nicolas de Groote (1549–1613) verließ das von Religionsstreitigkeiten und plündernden Soldaten geplagte Flandern und floh 1580 über Antwerpen nach Köln. Unterwegs wurde er von seiner Frau und seinen Kindern getrennt, fand sie aber durch einen glücklichen Zufall in Köln wieder. Dort ließ er sich nieder, gewann sein Vermögen zurück und wurde wieder ein erfolgreicher internationaler Kaufmann. Die Familie nutze ihren Wohlstand auch in der neuen Heimat für großzügige Spenden. Durch die Einrichtung von zwei theologischen Professuren und sieben Kandidatenstellen für Sonntagsschulen an Kölner Pfarreien begründete sein Sohn Jacob d. Ä. de Groote (1587–1663) 1655 die bis heute reichende Tradition der von Groote’schen Familienstiftungen.
In der nächsten Generation treffen die Geschichtsstränge des Elendsfriedhofs und der Familie von Groote aufeinander. Jacob d. J. de Groote (1627–1681) sah auf einem Sonntagsspaziergang im Jahr 1676 wie ein Hund an den Knochen eines dort verscharrten Toten nagte. Um diesen unwürdigen Zustand zu beenden, ließ er den Friedhof noch im selben Jahr mit einer Mauer und einem eisernen Tor einfrieden. Im Februar 1677 erweiterte er die St. Michaelskapelle des Friedhofs um zwei Seitengänge mit Altären. Dies zog so viele Besucherinnen und Besucher an, dass die Kapelle im Februar 1678 nochmals vergrößert und mit einem Glockenturm versehen wurde. Die vergrößerte Kapelle wurde neben dem Erzengel Michael als Co-Patron nun dem Papst und Kirchenlehrer Gregor dem Großen geweiht.
Jacob d. J. de Groote hat die Angewohnheit, jeden Sonntag nach der Messe in St. Kolumba den sogenannten Römerfahrtsweg abzuschreiten, der ihn an mehreren stadtkölnischen Kirchen und auch am verwahrlosten Elendsfriedhof vorbeiführt. Im Jahr 1676 sieht er auf einem solchen Spaziergang, wie ein schwarzer Hund am kahlen Schädel eines verscharrten Toten nagt. Jacob ist über diese Entehrung eines in Gott Ruhenden empört und befiehlt seinem begleitenden Bediensteten, den Hund zu verjagen. Dieser aber sagt, dass er keinen Hund sieht. Auch als Jacob sich an die Umstehenden wendet, sie mögen doch den Hund verjagen, kann niemand das Tier sehen. Da erkennt er, dass er alleine auserwählt ist, den unwürdigen Zustand des Elendsfriedhofs wahrzunehmen, auf dem die verstreuten Gebeine und erst recht die Seelen der Verstorbenen dem Höllenhund ausgeliefert sind. Er lässt daher den Friedhof noch im selben Jahr mit einer Mauer und einem eisernen Tor einfrieden. Im Februar 1677 erweitert er die St. Michaelskapelle des Friedhofs um zwei Seitengänge mit Altären. Dies zieht so viele Besucherinnen und Besucher an, dass die Kapelle im Februar 1678 nochmals vergrößert und mit einem Glockenturm versehen wird. Die vergrößerte Kapelle wird neben dem Erzengel Michael als Co-Patron nun dem Papst und Kirchenlehrer Gregor dem Großen geweiht. Knapp hundert Jahre später reißen die Brüder Everhard Anton Jacob Balthasar de Groote (Kanonikus von St. Gereon und St. Maria im Kapitol) und Maria Franz Jakob Gabriel de Groote (Bürgermeister von Köln) die baufällig gewordene Kapelle ab und ersetzten sie durch eine größere Kirche. Konsekriert wird der Neubau am 15.9.1771 durch den Weihbischof Karl Aloys Reichsgraf von Königsegg-Aulendorf, Neffe des Kurfürsten und Kölner Erzbischofs Maximilian Friedrich Reichsgraf von Königsegg-Rothenfels. Zuvor war die Kirche schon am 30.10.1768 von Kanonikus Everhard Anton Jacob Balthasar de Groote benediziert worden. Der damals eigentlich zuständige Weihbischof Franz Kaspar von Sierstorpff war „wegen der hohen Jahre (86) und auch unangenehmer rauher Jahreszeit“ unpässlich.
In der Mitte des 18. Jahrhunderts war die Kapelle auf dem Elendsfriedhof baufällig geworden. Everhard Anton Jacob Balthasar de Groote (1718–1796, Kanonikus von St. Gereon und St. Maria im Kapitol) und Maria Franz Jakob Gabriel de Groote (1721–1792, Bürgermeister von Köln) beschlossen daher, die Kapelle abzureißen und durch einen größeren Kirchenbau zu ersetzen. Die Abrissarbeiten begannen im Jahr 1764 und schon im nächsten Jahr wurde der Grundstein für den Neubau gelegt. Geplant wurde die Kirche vom Architekten und Bildhauer Balthasar Spaeth, nach dessen Plänen gebaut aber vom Kölner Baumeister Nikolaus Krakamp. Konsekriert wurde der Neubau am 15.9.1771 durch den Weihbischof Karl Aloys Reichsgraf von Königsegg-Aulendorf, Neffe des Kurfürsten und Kölner Erzbischofs Maximilian Friedrich Reichsgraf von Königsegg-Rothenfels. Der Spätbarockbau ist das letzte reichsstädtische Kirchenbauwerk Kölns vor der Umwälzung durch die napoleonischen Kriege, eine von vier erhaltenen barocken Kirchen sowie die letzte erhaltene der ehemals 30 Familienkirchen Kölns.
Als die Mittel für den Bau der spätbarocken Elendskirche (1765–1768) zusammengetragen werden, finden sich im de Groote’schen Kontor in der Glockengasse drei Säcke mit alten, nicht mehr kursfähigen Münzen. Die Zettel mit der Zuordnung der Münzen außen an den Säcken sind von Mäusen zerfressen. In einem Sack findet sich aber noch eine Notiz des langjährigen Buchhalters Michael Biermann: „Die in diesen drei Säcken erfindlichen Gelder kommen her von alten Contributionsgeldern in den französischen Zeiten, und weilen sich keine Bücher noch Rechnungen darüber finden, so wäre zu überlegen, wozu solche solten employrt werden.“ Es werden positive Gutachten von „Gottes- und Rechtsgelehrten“ eingeholt und der Reinertrag der eingeschmolzenen Münzen von über 684 Reichstalern dann der Baukasse gutgeschrieben.
Die Kirche ist ein einschiffig gewölbter Bau aus rotbraunem Backstein und rötlichen Fugen. Schmuckformen und Gesimse sind aus Sandstein und Basalt. Das nach Westen abgewalmte Dach trägt einen schlichten sechseckigen Dachreiter als Glockenturm. Im Giebel über der Westseite befindet sich das von Groote’sche Wappen. Die Seitenwände sind durch hohe, rundbogige Nischen mit vorstehenden Pilastern gegliedert, die unten Basen haben und oberhalb der Kapitelle in Rundbögen übergehen. Die Ecken der Westseite sind abgerundet, die Apsis ist mit einem flachen Bogen geschlossen. Das Kirchenschiff besitzt den Nischen entsprechend ein dreijochiges Tonnengewölbe mit Stichkappen, der Chor ein Kreuzgewölbe.
Über dem Eingangsportal sieht man ein von Friedrich Geiger geschaffenes Relief mit dem Triumph des Todes, dass die Elendskirche in Köln sprichwörtlich gemacht hat. Im Kircheninneren wird der Blick dann aber sofort auf den von Johann Joseph Imhoff gestalteten Hochaltar gelenkt, der den Sieg des Glaubens über das Böse versinnbildlicht. Maria, die mit einem goldenen Schwert im Herzen ihren toten Sohn hält, wird dabei flankiert von den beiden Schutzheiligen der Kirche. Links steht der heilige Gregorius Magnus als Symbol der Fürsorge für die Elenden und Armen, rechts steht der Erzengel Michael als Symbol für den Sieg des Glaubens über das Böse. Weit oben schwebt Gottvater über der Skulpturengruppe, seinerseits flankiert von Allegorien des Glaubens und der Gerechtigkeit. Vor dem Chor befinden sich zwei Seitenaltäre mit Alabasterskulpturen des Künstlers Franz Xaver Bernard Imhoff. In der nördlichen Nische steht dabei der heilige Jakobus d. Ä., in der südlichen Nische die heilige Thekla von Ikonium.
Im Zweiten Weltkrieg brannte die Elendskirche bei einem Luftangriff am 29. Juni 1943 bis auf die Grundmauern nieder. Die Skulpturen des Hochaltars und der Seitenaltäre waren glücklicherweise zuvor in Sicherheit gebracht worden, das liturgische Gerät wurde von Nachbarn aus den Flammen gerettet. Der Wiederaufbau verzögerte sich aufgrund der Materialknappheit und konnte erst Jahre später von Eberhard Clemens Joseph von Groote (1907–1994) gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt werden. 1950 wurde unter Leitung des Architekten Karl Band mit den Rekonstruktionsarbeiten begonnen, die sich 17 Jahre hinzogen. Die Everharduskapelle wurde bei der Rekonstruktion nicht wieder aufgebaut und ist heute nur als Grundriss in der Pflasterung vor der Südostfassade der Kirche sichtbar. Dafür wurde an der Nordwestseite eine Kapelle der Schönstatt-Bewegung errichtet. Am 22. März 1967 wurde die Kirche schließlich von Josef Kardinal Frings wieder geweiht. Von einer völligen Wiederherstellung des Originalzustands ist die Kirche aber noch weit entfernt. Vor allem im Innenraum der Kirche stehen noch viele weitere Aufgaben an.
Wie groß die Bedeutung der Elendskirche für das Severinsviertel ist, zeigt sich im Zweiten Weltkrieg. Bei einem Luftangriff am 29. Juni 1943 wird die Elendskirche schwer beschädigt. Obwohl das Gebäude bereits in Flammen steht, wagen sich Nachbarn hinein und retten historisches liturgisches Gerät wie Monstranzen, Kelche und Leuchter. Besonders aktiv ist dabei der Lebensmittelhändler Peter Hoffmann aus dem Haus An St. Katharinen 10. Er geht mit einem Feuerwehrhelm in die brennende Kirche und rettet zahlreiche Objekte. Um die Kostbarkeiten vor Plünderungen zu schützen, versteckt er sie im Kohlenkeller seines Hauses unter einer Schicht Kohlen und tarnt den Eingang mit einem Stapel Kartoffelkisten. Hoffmann ist es dann auch, der die Familie von Groote über die Rettung des liturgischen Geräts aus der ansonsten bis auf die Grundmauern zerstörten Kirche informiert. Bei der Weihe des rekonstruierten Gebäudes am 22. März 1967 durch den Erzbischof von Köln, Josef Kardinal Frings, ist er daher als Ehrengast anwesend.
von Groote’sche Familienstiftung
Am Elend zu Köln
Trägerin der Kirche
St. Gregorius Am Elend
Adresse der Kirche
St. Gregorius Am Elend
An St. Katharinen
50678 Köln (Severinsviertel)
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